Projekt

Die nahezu unbegrenzte Speicherkapazität durch elektronische Datenverarbeitung in modernen Organisationen lässt bei EntscheiderInnen häufig ein Gefühl von Unsicherheit und Unvollständigkeit zurück, und erfordert neue Anpassungsmechanismen im Umgang mit Informationen. Neben der Speicherung und Auffindbarkeit von Informationen erfordert effektives Wissensmanagement zunehmend auch eine effektive und flexible Selektion von jeweils wesentlichen Informationen, bspw. bei Entscheidungsprozessen unter Unsicherheit oder hoher Dynamik der Kontextbedingungen (volatile Märkte, etc.). Hier können Informationssysteme wichtige Unterstützungsfunktionen leisten, vorausgesetzt die User vertrauen auf sie und nutzen sie entsprechend.

Das Tandemprojekt der Universität Münster mit den Fachdisziplinen Arbeits-, Organisations- & Wirtschaftspsychologie (Guido Hertel) und Wirtschaftsinformatik (Jörg Becker) konzentriert sich auf Untersuchungen zu motivationalen Faktoren, die intentionales Vergessen in Organisationen behindern oder aber fördern können. Intentionales Vergessen wird dabei über das Ausmaß der Nutzung von Informationssystemen operationalisiert. Informationssysteme werden als Trigger von intentionalem Vergessen in Organisationen betrachtet, die den Usern relevante Informationen bereitstellen, so dass weniger relevante Informationen in den Hintergrund treten können (graduelles Vergessen). Dadurch kann die Nutzung von Informationssystemen Ressourcen einsparen und durch die Fokussierung auf die wesentlichen Entscheidungskriterien die Qualität und Geschwindigkeit von Entscheidungen erheblich steigern. Zudem kann die Nutzung von Informationssystemen Sicherheit vermitteln und Stress bei den Usern reduzieren. Graduelles Vergessen fällt allerdings EntscheiderInnen in Arbeitsorganisationen nicht immer leicht. So bestehen Risiken, dass das Informationssystem nicht zuverlässig oder schnell genug arbeitet, dass die Darstellung nicht zu den aktuellen Bedarfen passt, oder dass das Risiko einer Fehlentscheidung bspw. aufgrund von zu erwartenden betrieblichen Sanktionen höher ist als der ökonomische Nutzen des Vergessens. Zudem spielen affektive Stimmungen und dispositionale Präferenzen (Need for Cognition, Gewissenhaftigkeit etc.) eine wichtige Rolle. Intentionales Vergessen durch Nutzung von Informationssystemen ist daher mit Risiken und entsprechenden Sorgen und Beanspruchungen verbunden, die die Effektivität von Informationssystemen beeinträchtigen können. Das Forschungsprojekt thematisiert die Entwicklung von Gestaltungsleitlinien für Informationssysteme, die es den Usern ermöglichen, auf eben diese Systeme zu vertrauen um damit „getrost“ zu vergessen.